Für die Amazonenforschung ist die griechische Insel Samothrake von großer Bedeutung, weil nach der antiken Überlieferung das berühmte Heiligtum auf dieser Insel von der Amazonenkönigin Myrine gegründet worden ist.
Samothrake liegt in der nordöstlichen Ägäis zwischen der Insel Lemnos und dem griechischen Festland (Ostthrakien). Die Insel ist an ihrer längsten Stelle 21 km lang und an der breitesten Stelle 12 km breit. Samothrake ist größtenteils gebirgig. Der höchste Berg ist der imposante Fengari mit 1611 m Seehöhe. Es gibt zahlreiche Quellen in den Bergen, sowie einige beeindruckende Wasserfälle.
Kabirenheiligtum und Mysterienkult
Samothrake war die ganze Antike hindurch wegen seines Kabirenheiligtums und des damit verbundenen Mysterienkults berühmt.
Das Hieron – der Haupttempel des Kabirenheiligtums |
Da es hierbei um einen Mysterienkult handelt, war es den Eingeweihten verboten über den Inhalt des Kultes und die Kulthandlungen zu berichten. So können wir nur aufgrund sehr spärlicher Informationen folgendes Bild zeichnen: Die griechische Bezeichnung 'Kabiroi' stammt vom semitischen Wort Kabir, pl. Kabirim, welches »Allmächtige(r)« bedeutet. Die Gottheiten des Mysterienkultes werden immer nur die »Götter«, bzw. »Große Götter« genannt. Nur eine hellenistische Quelle nennt die geheimen Namen der Götter. Sie lauten: Axieros, Axiokersa, Axiokersos und Kasmilos (Kadmilos). Von den Griechen wurden sie mit den Göttern Demeter, Persephone, Hades und Hermes identifiziert, und sie wurden mit Tod, sowie Leben nach dem Tod assoziiert. Axieros (oder Axiokersa) - die »Große Mutter« - war die Zentralfigur des Kultes und sehr ähnlich der kleinasiatischen Kybele. Der vierte Kabir Kasmilos oder Kadmilos war ein ithyphallischer Fruchtbarkeitsgott und stellte den der »Großen Mutter« untergeordnete Partner dar. Die drei Götternamen Axieros, Axiokersa, Axiokersos waren vermutlich die Namen der drei Aspekte der »Großen Mutter«, welche den Lauf des Lebens symbolisieren - die jungfräuliche Göttin als Jägerin und Kriegerin, die am Zenith des Lebens stehende Muttergöttin, sowie die greise Göttin als Symbol des Todes. Die »Große Mutter« war die Göttin des Matriarchats - jener Kulturstufe, wo die Frauen die vorrangige Stellung in der Gesellschaft einnahmen. Die Amazonen, welche auch mit Samothrake in Verbindung stehen, repräsentierten die letzte, extreme Stufe des Matriarchats. Um sich von den immer bedrohlicheren patriarchalen Völkern zu schützen, wählten sie eine Gesellschaftsform ohne Männer, welche sie mit kriegerischen Mitteln - sehr erfolgreich - zu verteidigen wussten. Ihre Göttin - die »Große Mutter« - wurde an heiligen Steinen angebetet, wo ihr auch Opfer dargebracht wurden.
Der »Heilige Stein« im Kabirenheiligtum
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Heiliger Stein im Zentrum des Kabirenheiligtums |
Auf ein sehr merkwürdiges Monument stößt man im westlichen Teil der Anlage. In den Hügel
hineingearbeitet sind zwei Bauten zu erkennen, welche sich von den übrigen Monumenten
unterschieden.
Das Gebäude auf der linken Seite zeigt einen rundlichen bläulich-grauen Monolithen, der von Steinblöcken eingefasst in die Wand eingebaut worden war. Offensichtlich haben wir wiederum einen heiligen Stein vor uns, also ein Kultmal aus vorgriechischer Zeit, eine Zuordnung in die matriarchale Periode der frühen Bronzezeit (3. Jahrtausend vor Chr.) scheint naheliegend. |
Tempelbereich mit Kultstein |
Heiliger Stein |
Schlussfolgerungen
Das berühmte Kabirenheiligtum mit seinen geheimnisvollen Mysterien hatte die »Große Mutter« als zentrale Kultfigur. Diese Göttin geht auf die Hauptgöttin matriarchaler Religion zurück. Ein wesentliches Merkmal ist die uralte Kultausübung an heiligen Steinen. Eine ausführliche Darstellung finden Sie in unserem Forschungsbericht 2004.
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